Texte zur Arbeit von Anna Rudolf

Alex de Vries
Mister Motley, 27. Juli 2020

www.mistermotley.nl

Nico Out

Provinciale Zeeuwse Courant, 19 mei 2018

“.. Anna Rudolf transformeert vellen papier van 150 bij 250 centimeter tot magische ruimtes waarin subtiele inktvlekken gezelschap krijgen van een expressieve houtskoolschriftuur. De lijnen variëren van breed en zacht tot dun en haarscherp.

Als vanzelf ontstaan er vormen die doen denken aan dieren en mensen. Of combinaties van beiden. Rudolf suggereert ook ruimtes. Door contrasten ontstaat er een sfeer. Die ademt soms vrijheid, maar vaker momenten waarin gebondenheid of gevangenschap voelbaar worden. In haar tekeningen ervaar ik de strijd om als mens je weg te vinden in tijd en ruimte. Het persoonlijke en het universele komen prachtig samen.”

Arno Kramer

Dertiende Tekeningencahier, Drawing Centre Diepenheim, Dezember 2014

"Anna Rudolf's aktuelle Zeichnungen sind in Bezug auf Inhalt und Thema nicht unbedingt anders als ihre früheren klaren Linienzeichnungen.

Jedoch hat die gewählte visuelle Lösung auf eine sehr direkte, aber sensible Art dadurch gewonnen, dass sie schwarze Flächen ins Bild bringt und diese spannungsvoll kollidieren lässt mit dem Bild, das schon den Linien inhärent ist. Im gelegentlichen Zögern und Aufeinanderprallen von Technik und Bild liegt eine enorme Kraft."

Claus-Pierre Leinenbach

Aus der Eröffnungsrede, Villa Renata, Basel, Oktober 2014

"In ihren Zeichnungen spüre ich einen Primär-Impuls, eine Ur-Idee, die Anna Rudolf den Anlass
zum Zeichnen gibt. Die Blätter übertragen ein unverfälschtes Anfangsmoment, vielleicht kann man sagen, den Grund für ihr Kunstschaffen.

Wenn ich eine ihrer Zeichnungen sehe, stelle ich mir vor, wie es beginnt mit dem Eintauchen der Feder in das schwarze Tintenfässchen und dem darauffolgenden Auftauchen einer Linie im weissen Papier. Dann verwundere ich mich darüber, wie es plötzlich sein kann, dass diese erste Linie wieder eine andere Linie nach sich zieht und beide sich gegenüber dem weissen Raum in ein gemeinsames Verhältnis setzten, welches immer so faszinierend unbestimmbar bleibt. Manchmal erscheint es mir so, als ob sich Anna Rudolf’s Linien im unendlichen Raum befinden und eigentlich gar nicht mehr auf dem Papier sind, sich dort sozusagen für die kurze Dauer einer zeitlich begrenzten Existenz aufhalten, um sich irgendwann doch wieder davon zu lösen, und sich in ihr Tintenfässchen zurückziehen, als wären sie nur ein Aufblitzen von Schwarz im Weiss gewesen. Auf ein scheinbar inhaltslos-freies Gekritzel ihrer früheren Bleistiftzeichnungen folgt in späterer Zeit eine Reihe von Tintenzeichnungen auf denen manchmal tierhafte Wesen und menschähnliche Gestalten sich miteinander beschäftigen und aufeinander reagieren. Sie sind dort, um gefüttert zu werden mit feinen Tintenpünktchen, oder sie erproben ihre kraftlosen, neugeborenen Glieder im luftleeren Raum. Man staunt und lacht und und sollte diesen Wesen auf eine besondere Art und Weise begegnen."

Simon Baur, Kunsthistoriker

Über die Arbeit von Anna Rudolf, Dezember 2011

"Das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, ist in meiner Erinnerung weiss. Die Mauern sind weiss, die Fensterläden, auch das Flachdach. Nur der Garten ist nicht weiss. Anna Rudolfs Kunst scheint mir von diesem Haus geprägt zu sein, es gibt fotografische Arbeiten, die in diesem Haus stattfinden.

Ich denke vor allem an eine Stimmung, ein Gefühl, das diffus bleiben muss, um als solches weiter bestehen zu können. Ähnlich wie eine Lichtstimmung oder der Geschmack einer in Lindenblütentee getauchten Madeleine die Kindheit wie einen Traum auferstehen lässt, macht Anna Rudolf Kunst. Mal ist es der Sandsturm, der die Bewegungen verunsichert, die Seestücke bedeckt, mal sind es einige Boote, die teilnahmslos am Strand liegen, oder Menschen, die ohne Worte einen Raum beleben. Es sind die Lichtkonturen in einer Tramremise in Amsterdam, die einen an Häuser denken lassen, aber auch von Blitzen erhellte Nächte. Überblendungen, Spiegelungen und Lichtflecken verändern die Räume, versetzen sie in unbekannte Zustände, machen sie zu Orten, die sie nie wieder sein werden. Oder es sind Fotografien von Nebensächlichkeiten, einem Loch in der Hecke, Tauben auf roten Dachziegeln, einer Hecke am Hügel, einem nackten Ellbogen, der aus einem kurzärmligen Hemd schaut. Und es sind Zeichnungen bestehend aus wenigen Strichen, die vieles zeigen und sich doch nicht mit Sicherheit auf einen Zustand festlegen lassen, die vielleicht Zeichen sind, vielleicht auch Gedanken, Ideen auf jeden Fall für Rückblicke und Träume dieser literarischen Kunst.

In Arbeiten, die sie in der Ausstellung „meubler la solitude“ zeigte, entwickelte sie nicht nur ihr Einsamkeitsmobiliar konsequent weiter, sondern versah sie auch mit den Assoziationsmomenten textlicher Ebenen. „Haben Vögel die Augen geschlossen in der völligen Dunkelheit?“ und „Ist ein Vogel blind, spürt er den Weg durch die Luft?“ steht auf zwei Lichtsäulen. Daneben befanden sich Lichtsäulen mit verschneiten Wäldern und ein Foto eines Hundes neben einer Kiste. Mit minimalen Hinweisen, Zeichen, Gesten und Assoziationen werden Türen zu gross angelegten Gedankenräumen aufgestossen, durch die sich die Betrachter selbst ihre Wege hindurchbahnen sollen. Diese Wege erweisen sich aber nie als Labyrinthe, sie laden vielmehr ein zum Picknick am Wegesrand und erlauben gleichzeitig schöne Ausblicke, die dem Müssiggang besonders erquickende Momente verleihen."

Dr. Jeroen Damen, kunsthistoricus van de nieuwe tijd, September 2012

'Höhenluft', Kunsthaus Baselland, Muttenz, 2011

"Fünf Lichtverteiler schicken ihren Lichtschein in den dunklen Raum. Sie erhellen den Raum, machen ihn sichtbar und konkurrieren gleichzeitig mit ihm, indem sie selbst mit Darstellungen und Texten versehen sind.

Dass es mehrere Räume im Raum gibt, dessen wird man sich auf einmal bewusst. Das ist verwirrend. Unsere körperliche Anwesenheit verursacht im Raum Schatten und macht ihn so in seinem Erscheinungsbild instabil. Man kann nicht da hin gelangen, wo das Licht selbst herkommt, noch kann man sich dorthin begeben, wohin das Licht scheint. Und wo wir auch stehen, wir hindern das Licht und auch den Raum daran zu sein, was sie ohne uns sind. Die Vielfältigkeit von wirklichen und virtuellen Räumen, von wirklichen Gegenständen und Scheinbildern sind kennzeichnend für unsere Zeit. All unsere Systeme der Eindeutigkeit werden aufgebrochen und alle Räume werden gefüllt mit anderen Räumen. Wir sind immer und überall und nirgens zugleich."

Andy Blättler

'Die Person im Tisch', BEAM ON Plattform für Video und Neue Medien im kult.kino camera, Basel, 2006

"Die performative Rauminstallation 'Die Person im Tisch' von Anna Rudolf schliesst ihre technische Apparatur auf bezaubernde Weise und en passant mit den Kinogängern des kult.kino camera kurz.

Ein Diaprojektor wirft ein seltsam skulpturales Bild an die Wand: Am Boden liegt verdreht ein Tisch auf seiner Tischplatte, dazwischen ausgestreckt eine Person, deren Identität nicht ersichtlich ist. Plötzlich geschieht Folgendes: Ein Besucher läuft zwischen die Wand und den Diaprojektor und unterbricht mit seinem Körper dessen Projektionsstrahl. Sichtbar wird ein bewegter Bilderloop, der ähnlich einer gemächlich über den Boden gleitenden Filmkamera einen Raum mit verschiedenen Alltagsgegenständen zeigt. In der faszinierenden Langsamkeit des vorbeiziehenden Bildmaterials wird für den Betrachter erkennbar, dass der Loop aus einzelnen, aneinandergeklebten schwarz-weiss Fotonegativen besteht. Stark aus sich herausleuchtend gewinnen die einzelnen Gegenstände in ihrer fotografischen Inversion eine sehr selbstbewusste und eigentümliche Präsenz. Verlässt der Besucher nun die Mitte zwischen Wand und Diaprojektor – entlässt er also seinen Schatten aus dem Zwielicht des Projektionsstrahls - entschwindet auch die imaginäre Bildabfolge des Loops. Das statische Bild des umgekehrten Tischs mit der Person wird wieder sichtbar – eine merkwürdige, nachdenklich machende Figur der Wahrnehmung.
Mit dieser simplen Konstellation von ,Die Person im Tisch’, die den passierenden Kinogänger explizit als Medium verlangt, hat Anna Rudolf an der Schwelle zum Kinosaal eine spannende Auseinandersetzung mit der Medialität von Körper, Film und Fotografie generiert. Der Betrachter wird zum Schnitt durch Raum und Zeit, zur medialen Lücke, der erst mit seinem dazwischen kommenden Körper die Sichtbarkeit des eigentlich dauerpräsenten Loops produziert. Die einzelnen Bilder dieses Loops – (sind sie fiktiv, real; sind sie Vorstellungen der Person im Tisch oder vielleicht des anwesenden Kinogängers selbst?) – können als diskontinuierliche Gedankenfetzen oder als fragmentarische Zeiträume eines Gedächtnisses wahrgenommen werden, dessen gespenstische Abwesenheit nachträglich in der Interaktion mit dem Kinogänger aufgehoben wird. Als medialer Schnitt in Raum und Zeit widerspiegelt der Betrachter das Reproduktionsprinzip der Kinematografie, im Loop sinnlich fühlbar dank der rauhen Klebestellen zwischen den einzelnen schwarz-weiss Negativen: Bilder im Kino entstehen dank des sich sublimal der Wahrnehmung entziehenden Zwischenraums – dem Balken ziwschen den Filmbildern.
Am beiläufigen Ort des Kinofoyers wird so eine vielschichtige assoziative Reflexion über die Flüchtigkeit der scheinbar zeitlos gültig stillgestellten Bilder der Medien Film und Fotografie möglich. Als prekäres Medium steht der Kinogänger am Ursprung der Produktion des Beziehungsgeflechts zwischen den verschiedenen Bildern."

Timothy Grundy

Unsere Wahrnehmung als ein Paradoxon. 'Das Regenwetterreich', eine installative Arbeit in der Galerie Werkstatt Reinach, 2003 / bz 4. Juni 2003

"Im Reinacher Ausstellungsraum, der Galerie Werkstatt, zeigt die junge Basler Künstlerin Anna Rudolf erstmals ihre Arbeiten in der Region. Ausgestellt sind Installationen und Zeichnungen, die sich in erster Linie mit unserer Wahrnehmung der Welt beschäftigen und unserer Möglichkeit, von ihr Erkenntnis zu erlangen.

Für die grosse installative Arbeit hat Anna Rudolf dreizehn Diaprojektoren auf den Boden gestellt, die jeweils verschiedene Lichtbilder der Schweizer Berglandschaft an die gegenüberliegende Wand projizieren. Manche dieser Bilder stehen auf dem Kopf und alle überlappen sich. Die Projektoren sind so im Raum angeordnet, dass im Zentrum des Bodens eine Fläche frei bleibt, in die der Betrachter eintreten kann. Tut er dies, erscheint er auch als Schattenwurf in der Berglandschaft und er verdeckt einzelne Projektionen, kippt so Bildfragmente aus der Überlagerung. Wo der Schatten des Betrachters hinfällt, wird ein unverstelltes Bild der Landschaft sichtbar. Das heisst: erst dadurch, dass der Betrachter andere Projektionen durch seinen Körper verdeckt, wird der Teil der Landschaftsabbildung, auf den der Schatten fällt, von der Überlagerung befreit.
In dieser Form aber nimmt der Betrachter auch im Alltag die Welt wahr. Indem er auf die Welt blickt, erstellt er ein Bild der Welt: einerseits begrenzt der Augen-Blick das Gesehene, rahmt den Landschaftsausschnitt also, und andererseits kehrt das Gehirn die BiIder, die auf die Netzhaut einfallen, um und erstellt die menschliche Ordnung.
Spielerisch weist Anna Rudolf auf diese Sehleistung hin, indem sie einzelne Landschaftsbilder umkehrt. Zugleich stellt sie die Frage, wie wir die Welt erleben und benennen würden, würden wir sie verkehrt erleben.
Doch indem der Betrachter von seinem eigenen Standpunkt aus sich ein Bild der Welt erstellt, muss er sich zugleich den Blick auf die eigene Person,auf den eigenen Blick, versperren. Denn von aussen kann der Betrachter nicht auf sich selber blicken.
Die Leistung der Installation von Anna Rudolf ist es, diese Paradoxie in einer spielerischen Leichtigkeit eindrücklich erfahrbar zu machen. Als Leerstelle, als Schattenwurf durchschreitet der Betrachter die Welt, macht sich ein Bild von ihr ohne jedoch jemals sich ein Bild seiner selbst machen zu können. Gefangen in der eigenen Wahrnehmung können wir uns über die Welt in Kenntnis setzen, Selbsterkenntnis bleibt uns aber verwehrt."